Ein Tag im Wald,

begleitet und aufgeschrieben von Anja S., Mutter von Lea (7 ½, und Mika (3): "Vor der Entscheidung für den Waldkindergarten bin ich einen Tag mit in den Wald gegangen, um einen ersten Eindruck zu gewinnen. Anfänglich war ich schon etwas skeptisch, wie meine Kinder ihren Tag in so einem Naturkindergarten verbringen würden und ob sie hier gut aufgehoben wären.

 

Nachdem alle an der Schutzhütte eingetroffen waren, ging es durch eine Pforte in den direkt angrenzenden Wald Tilgenkrug. Nach 50 Metern lernte ich das erste von mehreren Ritualen im Tageslauf kennen: den Morgenkreis. Wir sangen ein Begrüßungslied, die Kinder zählten die Anwesenden und besprachen das Ziel des Tages (je nach Wetterlage, anstehenden Projekten oder Wünschen der Kinder wird jeden Tag neu abgestimmt und entschieden). Schließlich ging es los – an diesem Tag für das Frühstück zum Tipi, einem selbst gebauten Unterstand aus gesammelten Ästen mit angrenzendem Frühstücksplatz. Schon auf dem Weg bildeten die Kinder Grüppchen, um vom Vortag zu erzählen, Blätter zu sammeln, zu bummeln oder zu toben – je nach Wunsch. Gut, dass drei Erzieherinnen dabei waren, so war jedes Grüppchen immer beaufsichtigt.

 

Wir saßen in einem Rondell, mit Ästen und Zweigen urgemütlich ausgekleidet, in der Mitte ein paar Holzblöcke als Tische und im Rund gelegte Balken zum Sitzen. Alle packten aus ihren Rucksäcken die Frühstücksboxen und Thermosflaschen aus und ich staunte, wie ruhig die Kinder beim Frühstück waren – eine Folge der vielen Bewegung und des Waldes an sich, der als lebendiger Rahmen für reichlich Eindrücke aus Gerüchen, Geräuschen, Farben sorgt, wie mir eine der Erzieherinnen erklärte.

 

Nach dem Frühstück war eine Stunde lang Zeit zum Freispiel – in dieser Zeit bildeten sich wieder einzelne Grüppchen: In der einen wurde an einem ausgehöhlten Baumstumpf "gekocht", in der nächsten auf einem umgestürzten Baumstamm geritten und geklettert, woanders fangen gespielt. Dabei kamen die Kinder komplett ohne herkömmliches Spielzeug aus, sie nutzten nur die Materialien, die sie im Wald vorfanden.

 

Als nächsten Punkt auf der Tagesordnung zog die Gruppe zum Waldrand. Hier befindet sich eine Kuhweide. Wir konnten ein kleines Kälbchen besuchen, das seinen ersten Tag auf der Wiese verbringen durfte. Für die Kinder das Abenteuer des Tages, denn da der Bauer anwesend war, durften sie das Kälbchen sogar streicheln und bekamen Antworten auf die dringendsten Fragen.

 

Schon sammelte sich die Gruppe noch einmal zum zweiten Frühstück. Anschließend ging es zurück zur Schutzhütte im Kleingartengelände – der Kindergartentag war zu Ende, und die müden Krieger wurden nach unserem Abschlusskreis mit Abschiedslied abgeholt. Lea hat sich an diesem Tag nach kurzem Zögern sehr gut in die Gruppe integriert und ist bestens zurecht gekommen. Inzwischen ist sie in der zweiten Klasse in der Grundschule und ihr Bruder Mika hat ihren Kindergartenplatz übernommen. Da Lea zur ersten Generation der Waldmäuse überhaupt gehörte, hatten wir keine Vorschulkinder als "Vorbilder". Entsprechend unsicher waren wir, ob Lea gut genug auf die Schule vorbereitet wäre und den Übergang zum täglichen Unterricht im geschlossenen Klassenraum gut bewältigen würde. Erstaunlicherweise stellte sich schon nach kurzer Zeit heraus, dass sie sehr konzentrationsfähig war und auch mit dem Schreibenlernen keinerlei Probleme hatte. Ihre feinmotorischen Fähigkeiten waren bestens ausgebildet und sie war – besonders in sozialer Hinsicht – schnell integriert. Der Besuch eines Naturkindergartens verursacht vielleicht etwas mehr Aufwand in puncto Wäsche und Ausrüstung, wurde aber in unserem Fall durch ausgeglichene, selten erkältete Kinder belohnt, die super auf Schule und Leben vorbereitet werden."